Beim Fachkräftemangel spitzt sich die Lage immer mehr zu

Die Niederlassung wird immer unattraktiver, die Suche nach Praxisnachfolgern gestaltet sich zunehmend schwieriger und die Praxen haben immer größere Probleme, offene Stellen zu besetzen.

14.08.2023

Eine unzureichende Finanzierung des ambulanten Bereichs, der Trend zur Anstellung und der demographische Wandel lassen die Versorgungslücken immer größer werden. Schon jetzt herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel – die ambulanten Strukturen drohen zu bröckeln und gefährden das System.

Der Personalmangel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem großen Problem in den Praxen entwickelt. Immer mehr medizinische Fachangestellte (MFA) wandern in andere Bereiche des Gesundheitswesens wie Kliniken, Krankenkassen und Behörden ab, wo höhere Gehälter gezahlt werden, oder wechseln ganz den Beruf. Freie Stellen in den Praxen bleiben unbesetzt. Die Tätigkeiten der fehlenden MFA müssen durch fachfremdes Personal oder die Ärzte selbst übernommen werden. Ein weiterer Aspekt: Praxisteams erhalten oft gerade von politischer Seite nicht die ihnen gebührende Wertschätzung – obwohl sich das Berufsbild in den vergangenen Jahren enorm gewandelt hat.

„MFA-Mangel und auch das zu beobachtende sinkende Interesse an einer Niederlassung bereiten uns Sorgen. Arztpraxen – gerade im ländlichen Raum – haben Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden, wovon besonders die hausärztliche Versorgung betroffen ist“, so der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Der daraus resultierende Rückgang an Ärzten werde sich noch weiter verschärfen, sofern nicht gegengesteuert wird. Ein Drittel der Vertragsärzte ist 60 Jahre oder älter und wird in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Gesellschaftliche Trends wie der Trend zur Teilzeit oder zur Anstellung beeinflussen ebenso den Versorgungsbedarf wie die demographische Entwicklung, die damit einhergehende Multimorbidität sowie das Nachfrageverhalten und die damit verbundenen Ansprüche an die Versorgung. Der Bedarf an ärztlichen Leistungen wird stark zunehmen, eine altersgerechte ärztliche Versorgung unter diesen Umständen ist fraglich.

Die desaströse Sparpolitik im Gesundheitswesen trägt zusätzlich zum Fachkräftemangel bei. Um den Betrieb in den Praxen und Medizinischen Versorgungszentren weiterhin aufrechterhalten zu können, werden reduzierte Öffnungszeiten und gegebenenfalls Leistungskürzungen kaum zu vermeiden sein.

„Die schwindenden Ressourcen werden wir nicht auffangen können. Hinzu kommt, dass die Rahmenbedingungen eine eigene Niederlassung immer unattraktiver machen: gedeckelte Vergütungen, ständig neue gesetzliche Regularien, eine überholte Bedarfsplanung, überbordende Bürokratie. Den Kolleginnen und Kollegen fehlen die Anreize, um den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen und unternehmerische Verantwortung zu übernehmen“, so Dr. Monika Schliffke, Vorstandvorsitzende der KVSH. Die Lösung muss heißen: Die Politik muss sich endlich mit der ambulanten Versorgung und deren Bedürfnissen auseinandersetzen und die Bewältigung der Herausforderungen anpacken. Dies schließe auch die Entbudgetierung mit ein, ohne die es den Praxen nicht gelingen wird, den MFA höhere Gehälter zu zahlen und die Abwanderung zu stoppen. Zudem werde die Weiterbildung von Ärzten immer noch aus dem ärztlichen Honorar bezahlt, obwohl dies eine gesellschaftliche Aufgabe ist.

„Die Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche Vergütungsanpassungen muss ein Ende haben. Der ambulante Bereich braucht Planbarkeit und Verlässlichkeit, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Wenn sich nicht schnellstens etwas ändert, bricht die ambulante Versorgung zusammen und wir werden unseren Sicherstellungsauftrag nicht mehr erfüllen können. Die Politik darf die Augen nicht länger davor verschließen, dass die Rahmenbedingungen in der ambulanten Versorgung dringend verbessert werden müssen, um die vorhandenen Strukturen zu festigen und mindestens den Status quo aufrechtzuerhalten“, so Dr. Ralph Ennenbach, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVSH.

„PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“ – Bundesweite Aktion der Kassenärztlichen Vereinigungen

Diese Pressemitteilung veröffentlich die KVSH im Rahmen der bundesweiten Aktion aller Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) unter dem Titel „PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg!“ Die 17 bundesweiten KVen veröffentlichen in ihren Bundesländern gleichlautende Mitteilungen, um auf die akut gefährdete Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam zu machen. Hintergrund sind die Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August gestartet sind.

Höhepunkt der Aktion wird am 18. August eine gemeinsame Krisensitzung der Vertreterversammlungen aller Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin sein. Es werden ärztliche und psychotherapeutische Vertreterinnen und Vertreter aus ganz Deutschland erwartet. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Website der KBV.

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