Außerklinische Intensivpflege

Mit dem neuen Intensivpflege- und Rehabilitationsgesetz wurde die außerklinische Intensivpflege in eine eigenständige Leistung überführt.

14.12.2022

Gemäß § 37c SGB V „Außerklinische Intensivpflege“ steht nun die Entwöhnung von einer Beatmung oder Kanülierung stärker im Fokus. Durch eine regelmäßige ärztliche Erhebung des Entwöhnungspotenzials soll eine bessere Patientenversorgung gewährleistet sowie Fehlanreize und Qualitäts- und Versorgungsmängel beseitigt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat hierfür eine Richtlinie über die Verordnung außerklinischer Intensivpflege beschlossen (AKI-Richtlinie).

Die AKI-Richtlinie regelt unter anderem, in welchen Fällen Leistungen der außerklinischen Intensivpflege verordnet werden dürfen und dass vor der Verordnung eine Erhebung des Entwöhnungspotenzials vorliegen und ein Behandlungsplan erstellt werden muss. Hierbei handelt es sich um neue ärztliche Aufgaben, für die besondere Qualifikationen nachzuweisen sind. Die neuen Regelungen treten zum
1. Januar 2023 in Kraft. Die Durchführung der Potenzialerhebung ist seit dem 1. Dezember 2022 möglich.

Besonderer Stellenwert der Potenzialerhebung

Vor jeder Verordnung wird bei beatmeten oder trachealkanülierten Patientinnen und Patienten jeweils individuell insbesondere Folgendes erhoben und dokumentiert:

  • Das Potenzial zur Reduzierung der Beatmungszeit bis hin zur vollständigen Beatmungsentwöhnung (Weaning) bzw. zur Entfernung der Trachealkanüle (Dekanülierung).
  • Die Möglichkeit der Therapieoptimierung sowie die jeweils zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen.
  • Das Potenzial für eine Umstellung auf eine nicht-invasive Beatmung.

Diese Erhebung soll mindestens alle sechs Monate durchgeführt werden und darf zum Zeitpunkt der Verordnung nicht älter als drei Monate sein. Sobald die Beatmung bzw. die Trachealkanüle dauerhaft indiziert oder eine Dekanülierung oder eine Entwöhnung zum Zeitpunkt der Erhebung nicht möglich oder absehbar ist, sind die konkreten Gründe zu dokumentieren.

Genehmigung zur Erhebung des Potenzials

Die Potenzialerhebung erfolgt ab dem 1. Dezember 2022 durch besonders qualifizierte Fachärztinnen und Fachärzte. Auch Ärztinnen und Ärzte aus Krankenhäusern und Praxen können zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die Befugnis zur Potenzialerhebung bedarf einer Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Hierfür müssen die Antragstellerinnen und Antragssteller nachweisen, dass sie die folgend genannten Voraussetzungen erfüllen. Befugt sind:

  1. Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin,
  2. Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Pneumologie,
  3. Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie mit mindestens 6‐monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer spezialisierten Beatmungsentwöhnungs‐Einheit,
  4. Fachärztinnen und Fachärzte Medizin, Chirurgie, Neurochirurgie, Neurologie oder Kinder‐ und Jugendmedizin mit mindestens 12‐monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer Beatmungsentwöhnungs‐Einheit,

oder

  1. weitere Fachärztinnen und Fachärzte mit mindestens 18‐monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer spezialisierten Beatmungsentwöhnungs‐Einheit.
  2. Außerdem: Zur Erhebung des Potenzials zur Entfernung der Trachealkanüle bei nicht beatmeten Versicherten sind auch Fachärztinnen und Fachärzte mit mindestens 18‐monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer stationären Einheit der neurologisch‐neurochirurgischen Frührehabilitation berechtigt.

Qualifikation von verordnenden Ärztinnen und Ärzten

Ab dem 1. Januar 2023 darf die Außerklinische Intensivpflege bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten auf Grundlage einer bereits erfolgten Potenzialerhebung verordnet werden. Hierzu berechtigt sind:

  1. Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin,
  2. Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Pneumologie,
  3. Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie,
  4. Fachärztinnen und Fachärzte für Neurologie,
  5. Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder‐ und Jugendmedizin

und

  1. Hausärztinnen und Hausärzte, wenn sie über Kompetenzen im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten verfügen.

Bei Patientinnen und Patienten, die weder beatmungspflichtig noch trachealkanüliert sind, erfolgt die Verordnung durch Fachärztinnen und Fachärzte, die auf die außerklinische Intensivpflege auslösende Erkrankung spezialisiert sind.

Die Befugnis zur Verordnung für Hausärztinnen und Hausärzte bedarf der Genehmigung durch die KVSH. Die Genehmigung wird auf Antrag erteilt, wenn die Antragstellerin oder der Antragssteller bestätigt, die vorgenannten Voraussetzungen zu erfüllen oder die Absicht erklärt, sich diese innerhalb der nächsten sechs Monate anzueignen und nachzuweisen.

Um die Kompetenz im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten zu erlangen, werden ab 2023 Onlinefortbildungen im Fortbildungsportal der KBV zur Verfügung stehen. Für die Teilnahme gibt es jeweils drei CME-Punkte.

Sonderregelung für Patientinnen und Patienten ohne Potenzial

Ärztinnen und Ärzte können sowohl für die Potenzialerhebung als auch für die Verordnung qualifiziert sein. Für die Fälle, bei denen festgestellt wird, dass es bei einer Patientin oder einem Patienten voraussichtlich langfristig kein Beatmungsentwöhnungs- bzw. Dekanülierungspotenzial geben wird, wurde ein „Vier-Augen-Prinzip“ eingeführt. Die oder der Potenzialerhebende kann in solchen Fällen nicht gleichzeitig die Verordnung ausstellen.

Zusammenarbeit und Netzwerke

Aufgrund der Komplexität der Erkrankungen und deren Behandlungsabläufe ist in der außerklinischen Intensivpflege eine gute Kooperation und Koordination zur Sicherstellung der Versorgungskontinuität besonders wichtig. Es ist wünschenswert, dass Vertragsärztinnen und Vertragsärzte und Angehörige von weiteren Gesundheitsfachberufen (z. B. geeignete Pflegefachkräfte, Logopäden und Ergo- und Physiotherapeutinnen- und therapeuten) in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Dabei trägt die oder der Verordnende die Verantwortung für die Koordination der medizinischen Behandlung der Patientinnen und Patienten. Dazu zählt auch die rechtzeitige Einleitung des Potenzialerhebungsverfahrens.

Formulare

Für die Verordnung außerklinischer Intensivpflege sowie für Erhebung und Behandlungsplan gelten ab
1. Januar 2023 neue Formulare:

  • Ergebnis der Erhebung: Muster 62A
  • Verordnung: Muster 62B
  • Behandlungsplan: Muster 62C

Weitere Informationen

Die entsprechenden Antragsformulare für die Genehmigungserteilung werden zeitnah auf der Website der KVSH unter Praxis/Qualität und Fortbildung/Genehmigungspflichtige Leistungen für Sie bereitgestellt.

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